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Wenn Inbox Zero nicht genug ist

Wie ich mit Inbox Zero und radikalem Löschen meinen Posteingang leer und mein Postfach aufgeräumt halte.

Mein E-Mail-Postfach war lange ein einziges Chaos.
Ich bekomme jeden Tag dutzende Mails, die sich einfach in meinem Posteingang gestapelt haben. Schliesslich gibt es reichlich billigen Speicherplatz, der noch dazu stetig mehr wird.

Dieser Ansatz hat mich allerdings immer mehr gestört. Wenn ich mir diesen ungeordneten Haufen ansah, hat das in mir keine Freude erweckt, um es mit Marie Kondo zu sagen. Und ich habe festgestellt, dass es ziemlich schwierig wurde, die wirklich wichtigen Mails wiederzufinden in diesem Heuhaufen aus Benachrichtigungen, Zur-Kenntnis-Weiterleitungen, Bestellbestätigungen und vergangenen Projekt-Diskussionen. Das Rauschen ist einfach zu viel.

Schliesslich habe ich mich auch gefragt, ob es gut ist diese ganzen Daten überhaupt existieren zu lassen. Ich gebe mein Bestes um mein Konto abzusichern aber es ist immer möglich, dass jemand mich oder sogar meinen Anbieter hackt. Ich würde weder wollen, dass eine Angreiferin erfährt, welche Zahnbürste ich vor 2 Jahren gekauft habe, noch möchte ich dass sie die hitzige Diskussion lesen, die ich letztes Jahr mit meinem Kollegen hatte. Dazu kommt, ich werde solche Daten selbst nie wieder brauchen und will ich sie auch nicht aus sentimentalen Gründen behalten.

Also entschied ich mich, all das nutzlose und bedeutungslose Gerümpel los zu werden und sicherzustellen, dass mein Posteingang danach aufgeräumt bleibt.

Illustration: Meditierende Frau

Ich kannte bereits Leute, die Inbox Zero praktizieren. Aber am Ende ist Inbox Zero so wie als Kind, als man sein Zimmer aufgeräumt hat, indem man alles in den Schrank gestopft hat, nur damit der Boden aufgeräumt aussah. Nicht nur mein Posteingang soll aufgeräumt sein, sondern mein gesamtes Postfach.

Das Konzept, das ich dazu entwickelt habe, wendet Inbox Zero als Filter auf die eingehenden Mails an und kombiniert das mit einem gnadenlosen Reinigungsplan für mein Archiv, in dem ich nur einen rollierenden 6-Monats-Puffer an Mails behalte.

Voraussetzungen

Ich habe drei Ordner (neben der Inbox):

  • Offen ist für Mails, die ich nicht sofort behandeln kann oder will. Das ist praktisch meine To-Do-Liste
  • Wichtig ist für Mails, die ich wirklich aufbewahren muss, weil sie wertvoll oder langzeit-relevant sind
  • Archiv ist für den Rest der Mails, die ich nicht direkt lösche, weil ich sie eventuell nochmal brauche oder mit Anschluss-Mails rechne.

Zu Beginn habe ich die neuesten Mails überflogen, ein paar in den Offen-Ordner geschoben und dann den Rest ins Archiv.

Inbox Zero

Inbox Zero ist mein Filter für eingehende Mails. Mein Ziel ist die meisten Mails gleich, wenn sie ankommen, auszufiltern (d.h. zu löschen). Und natürlich ist eine leere Inbox auch einfach eine schöne Sache.

Und so wende ich das Konzept auf alle eingehenden Mails an:

  • Ich lösche Mails, die nur informativ sind und deren Aufbewahrung keinen weiteren Wert haben (bevorzugt)
  • Ich archiviere Mails, die kein Handeln erfordern aber Infos enthalten, die ich nochmal benötigen könnte oder für die ich Anschluss-Mails erwarte (diese erscheinen automatisch wieder in der Inbox, wenn jemand antwortet)
  • Ich behandle Mails, die eine Reaktion erfordern (antworten oder delegieren) sofort. Dann archiviere ich sie.
  • Ich verschiebe Mails, die ich nicht direkt behandeln kann oder will in Offen (natürlich archiviere ich diese, wenn ich sie behandelt habe)
  • Falls eine Mail wichtige Anhänge hat, speichere ich diese an einem sicheren Ort, wo ich sie wiederfinden kann (mein Cloud-Speicher). Dann archiviere ich die Mail.
Entscheidungs Diagramm Inbox Zero

Rollierender 6-Monats-Puffer

Manche Angelegenheiten benötigen einfach mehrere Tage, Wochen oder sogar Monate bis sie abgeschlossen sind. Projekte können sich über längere Zeiträume ziehen und manche anderen Dinge werden recht weit in die Zukunft geplant, wie Geschäftsreisen.

Also halte ich ein rollierendes Archiv von allen meinen Mails der letzten 6 Monate. Warum 6 Monate?
Weil ich nicht weiter in die Zukunft plane und ich die Erfahrung gemacht habe, dass, wenn Dinge nach einem halben Jahr nicht gelöst sind, sie später auch nicht mehr relevant sind.
Oder ist es dir jemals passiert, dass jemand auf dich zukommt mit “Wegen dieser E-Mail, die ich dir vor 7 Monaten geschrieben habe…”? (Falls deine Antwort ja ist, könntest du einen längeren Puffer wählen oder in solchen Situationen einfach mit deinem fassungslosestem WTF-Gesicht antworten und kopfschüttelt weggehen).

Einmal im Monat überfliege ich alle Mails, die älter als 6 Monate sind, und lösche fast all davon. Das ist nicht so viel Aufwand, wie man vielleicht denkt. So gehe ich dabei vor:

  • Ich arbeite mich von der ältesten zur neueste Mail durch
  • Ich überfliege nur die Betreffzeilen während ich scrolle
  • Ich versuche zu vermeiden Mails zu öffnen, solange das Betreff nicht sehr unklar ist
  • Ich schiebe Mails, die ich wirklich behalten will in den Wichtig Ordner. In meinem Fall sind das ca 1% aller Mails
  • Dann wähle ich den Rest (älter als 6 Monate) aus und lösche ihn

Wenn du das jeden Monat machst, ist es auch nur der Mail-Umfang eines einzigen Monats, den du sichten musst. Ich brauche ungefähr 10–15 Minuten um alle 200–300 archivierten Mails eines Monats zu überfliegen. Vergiss nicht, dass ich die meisten Mails gleich nach dem Lesen lösche.

Entscheidungs Diagramm E-Mail Archive aufräumen

Das erste Aufräumen

Natürlich ist der schwierigste Teil überhaupt erstmal anzufangen. Ich habe den folgenden pragmatischen Ansatz gewählt um mein Archiv einmal initial aufzuräumen:

  • Lösche alles was älter als 2 Jahre ist
  • Überfliege den Rest wie oben beschrieben. Das ist immer noch ein ziemlicher Berg an E-Mails, sodass ich pro Tag nur die Mails eines Monats aufgeräumt habe, bis ich den 6-Monats-Zeitraum erreicht hatte.

Mails ohne Reue löschen

Aber wie entscheidet man welche Mails man löschen und welche behalten soll? Ich habe vier Kategorien von E-Mails ausgemacht, die ich ohne zurück zu blicken lösche:

Service-Mails, wie “Könntest du bitte…?”, “Weisst du wie man…?”, “Was hältst du von…?”, genauso wie kurzlebige Nachrichten, wie “Das ist der Link für unser Meeting…” oder “Der Termin wurde verschoben auf…”.
Praktisch alles, was eigentlich von Anfang an auf Slack hätte passieren sollen. Nach 6 Monaten hat es sich entweder erledigt oder ist einfach nicht mehr relevant.

Benachrichtigungs-Mails, wie automatische Status-Updates, Erinnerungen, Newsletter, Bestellbestätigungen, etc. Oft kannst du solche Mails direkt in der Inbox löschen aber in jedem Fall brauchst du die nicht mehr, wenn sie älter als 6 Monate sind.

FYI-, Zur-Kenntnis- und CC-Mails, die nur dazu dienen dich zu informieren oder im “Loop” zu halten. Wenn es nach 6 Monaten nicht wieder aufgekommen ist, passiert da auch in Zukunft nichts mehr. Und sowieso warst du hier nicht der direkte Adressat.

E-Mails, die du behältst um zu beweisen, dass du bestimmte Informationen oder Anweisungen gesendet oder erhalten hast. Solange du nicht rechtlich verpflichtet bist diese Korrespondenz zu behalten (vielleicht steckst du in einem Gerichtsverfahren?), solltest du solche Mails nach maximal 6 Monaten löschen. Du bist nicht die Art von Mensch, die Monate alte E-Mails benutzt um mit dem Finger auf andere zu zeigen, oder? Und, überleg mal: Wie oft hast du wirklich solche Beweis-Mails benötigt?

Aufbewahrungswürdige Mails

Selbstverständlich gibt es E-Mails, die sogar nach 6 Monaten noch wichtig sind.

Du kannst sicher selbst entscheiden, ob eine Mail für dich wichtig ist. In dem Fall, schieb sie in den Wichtig Ordner.

Allerdings gibt es eine Sorte von Mails, die wichtig sind, aber trotzdem besser aus dem Postfach gelöscht werden: Mails mit Anhängen.

Wenn du Rechnungen oder andere Geschäftsunterlagen per E-Mail bekommst, ist es besser diese Anlagen herunterzuladen und separat in einem geordneten Platz (wie einem Cloud-Speicher) abzulegen. Das macht es viel einfacher, diese Dokumente später wieder zu finden. Und falls der Inhalt der Mail selbst nicht super wichtig ist (das ist er selten), kannst du die E-Mail tatsächlich löschen (zumindest nach 6 Monaten).

Am Ende wirst du deinen Wichtig Ordner ebenfalls ab und zu aufräumen wollen. Ich wende dieses Konzept jetzt aber schon seit einem halben Jahr an und ich habe bisher nur knapp 20 Mails in meinem Wichtig Ordner.

Abschliessende Gedanken

Meine Erfahrung damit mein Postfach sauber zu halten, war soweit sehr positiv. Ich habe mehrere E-Mail-Konten (private und geschäftliche) und jedes von diesen ist nun deutlich unter 200 MB in absoluter Grösse.

Dazu fühle ich mich viel freier ohne die Bürde von tausenden von irrelevanten Mails. Es ist ein bisschen wie die Wohnung sauber zu halten. Es benötigt anfänglich Aufwand und dann regelmässiges Aufräumen. Aber am Ende sorgt es dafür, dass du dich viel wohler fühlst (und du kannst andere Leute mit deiner Ordentlichkeit beeindrucken).

Ich betrachte diese radikale Reduktion meines Postfachs als Schritt weg von der E-Mail.
E-Mail ist nun 50 Jahre alt und hat einfach nicht mitgehalten mit unserem volldigitalem Arbeitsleben. Ich bin überzeugt, dass für die meisten Kommunikations-Bedarfe stattdessen bessere, darauf abgestimmte Kanäle genutzt werden sollten. Slack und Messenger für schnelle, flüchtige Unterhaltungen, Cloud-Speicher zum Datei-Austausch, Knowledge-Bases für Projekt-Management und natürlich Loqbooq um Entscheidungen zu dokumentieren.

Die E-Mail wird so schnell nicht verschwinden. Aber wir sollten sie alle als blosse Notlösung betrachten, für den Fall, dass kein besserer Kanal zur Verfügung steht. Mein Postfach aufzuräumen hat mir nicht nur gezeigt, wieviel unnützer Kram sich dort angesammelt hat. Es hat mir auch geholfen einige Prozesse und Kommunikationen auszumachen, die auf eine besser geeignete Plattform umgezogen werden sollten.

Der einfachste Weg, weniger E-Mails zu bekommen, ist selbst weniger zu verschicken. Zu jeder Mail, die du schreibst, erhältst du mindestens eine als Antwort. Also, das nächste Mal, wenn du auf Verfassen klickst, halte kurz inne und überlege: Gibt es für deine Nachricht, nicht vielleicht ein passenderes Tool oder einen geeigneteren Kanal?

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